Vergütungsanspruch und Entgeltfortzahlung

Die Corona-Krise stellt Arbeitgeber vor große Herausforderungen. Wir zeigen auf, welche Auswirkungen die verschiedenen denkbaren Szenarien auf Vergütungsansprüche der Arbeitnehmer haben.

  1. a) Freistellung von Arbeitnehmern bei Infektionsverdacht durch den Arbeitgeber

Da der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Beschäftigung hat, ist der Arbeitgeber nur in seltenen Fällen zu einer einseitigen Freistellung berechtigt. Dies gilt auch für den Fall, dass der Arbeitgeber das Gehalt fortzahlt. Die Arbeitsgerichte haben eine einseitig durch den Arbeitgeber erklärte Freistellung bei Fortzahlung der Vergütung anerkannt, wenn das Interesse des Arbeitgebers an einer vorübergehenden Freistellung das Interesse des Arbeitnehmers an einer Beschäftigung überwiegt.

Wann dies der Fall ist, ist je nach Einzelfall zu beurteilen. Bei einer Freistellung durch den Arbeitgeber behalten Arbeitnehmer jedenfalls ihren Vergütungsanspruch.

 

  1. b) Freistellung auf Wunsch des Arbeitnehmers

Arbeitnehmer, die aus Angst einer Infektion von der Arbeit fernbleiben, könnten, wenn sich ggf. Homeoffice nicht zur Erfüllung der Arbeitspflicht eignet, Urlaub beantragen, Überstunden abbauen oder gegebenenfalls mit dem Arbeitgeber eine vorübergehende Freistellung ohne Lohnfortzahlung vereinbaren. Der Arbeitnehmer verliert in solch einem Fall allerdings grundsätzlich ihren Vergütungsanspruch. Bleiben Arbeitnehmer ohne vorherige Vereinbarung unentschuldigt der Arbeit fern, kann dies zu einer Abmahnung oder Kündigung führen.

  1. c)  Vergütungsanspruch trotz Auftragsmangel

Auch wenn der Arbeitgeber aufgrund der derzeitigen Situation die angebotene Arbeitsleistung seiner Arbeitnehmer nicht verwerten kann, bleibt der Vergütungsanspruch der Arbeitnehmer bestehen. Der Arbeitgeber trägt insoweit das Wirtschaftsrisiko. 

  1. d) Vergütungsanspruch bei Betriebsschließung durch den Arbeitgeber

Entscheidet sich der Arbeitgeber freiwillig (nicht durch behördliche Anordnung) dazu, die Arbeitnehmer nach Hause zu schicken und den Betrieb vorübergehend zu schließen, muss er das Entgelt weiterzahlen vgl. § 615 BGB. Ohne eine ausdrückliche Vereinbarung darf der Arbeitgeber in diesem Fall auch nicht auf die Stundenkonten der Arbeitnehmer zurückgreifen.

  1. e) Vergütungsanspruch bei behördlicher Betriebsschließung

Im Falle der Schließung eines Unternehmens durch die Behörden auf der Grundlage des Infektionsschutzgesetzes können die Grundsätze der Betriebsrisikolehre herangezogen werden. Nach der Rechtsprechung trägt der Arbeitgeber das Betriebsrisiko, wenn infolge behördliche Maßnahmen der Betrieb geschlossen wird, wenn dieses Risiko der behördlichen Maßnahme im Betrieb durch dessen besondere Art angelegt war. Die allgemeinen Gefahrenlagen etwa durch Kriege, Unruhe, Terroranschläge gehören aber nicht in die besondere Zuordnung des Risikos durch den Betrieb. Dies gilt nach einigen Auffassungen auch für eine Epidemie oder Pandemie. Eine sichere Aussage zu der Einordnung dieser Fragestellung und der arbeitsgerichtlichen Beurteilung hierzu kann jedoch nicht getroffen werden, da die Betriebsrisikolehre von vielen sehr weitgehend zu Lasten der Arbeitgeber interpretiert wird, sodass nicht auszuschließen ist, dass der Fall der behördlichen Schließung eines Betriebes auch dann als dem Arbeitgeber zurechenbares Risiko angesehen wird. Jedenfalls sollte der Arbeitgebers ein Entschädigungsansprüche nach § 56 IfSG von geltend machen und entsprechende Anträge stellen um dadurch das Risiko des Arbeitgebers zu beschränken.

 

  1. f) Vergütungsanspruch von Grenzgängern

Soweit die Möglichkeit für Grenzgänger besteht, ihren Arbeitsplatz zu erreichen (wenn auch unter besonderen Umständen, wie bspw. derzeitige Grenzkontrollen), sind diese grundsätzlich auch verpflichtet ihren arbeitsvertraglichen Pflichten nach § 611a BGB nachzukommen. Hier wäre ggf. auch an Home-Office zu denken, soweit dies die Art der Arbeit ermöglicht. Die Bundespolizei stellt für Grenzpendler, die über die deutsche Bundesgrenze pendeln müssen, eine Pendlerbescheinigung aus. Ein Vordruck ist unter 

https://grenzinfo.eu/emra/wp-content/uploads/sites/2/2020/03/Pendlerbescheinigung.pdf 

zu finden. Bezüglich des Lohns gilt der Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“. Trotz der Grenzschließungen gibt es bislang kein Einreise- oder Arbeitsverbot nach/in Deutschland für Grenzgänger bspw. aus dem Elsass. Wenn der Arbeitsplatz in Deutschland wegen der Verkehrsbehinderungen durch die Grenzkontrollen/-schließungen nicht pünktlich oder gar nicht erreichen können, sollte der Arbeitgeber kontaktiert und die Situation mit diesem erörtert werden.

 

  1. g) Vergütungsanspruch bei Kinderbetreuung

Angesichts der Schließung von Kindertagesstätten und Schulen stehen viele Arbeitnehmer vor einem Betreuungsproblem. Grundsätzlich haben Arbeitnehmer die aufgrund von Schließungen von Betreuungseinrichtungen ihr Kind nicht unterbringen können, die Möglichkeit, sich auf eine unverschuldete persönliche Verhinderung im Sinne von § 616 BGB zu berufen. 

 

Dies begründet einen Anspruch des Arbeitnehmers auf bezahlte Freistellung für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit. Dabei ist grundsätzlich auf das Verhältnis des Zeitraums der Verhinderung zur Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der bereits verstrichenen und noch zu erwartenden Dauer abzustellen und bedarf daher der Prüfung im Einzelfall. Bei Überschreiten der Verhältnismäßigkeitsgrenze entfällt der Vergütungsanspruch ganz und nicht nur hinsichtlich des die Verhältnismäßigkeit überschreitenden Teils. Die Bundesregierung appellierte in Absprache mit den Arbeitgeberverbänden an die Arbeitgeber mindestens eine Woche oder sogar zwei Wochen das Gehalt weiter zu leisten.

 

Der Arbeitgeber kann gegebenenfalls auch Sonderurlaub mit Entgeltfortzahlung mit den Arbeitnehmern vereinbaren. Arbeitgeber sind gefordert, diese Fälle großzügig zu behandeln. 

In den Betrieben ist nach Lösungen zu suchen, die beiderseitige Interessen berücksichtigen. Wenn möglich, sollte laut Bundesinnenministerium eher Home-Office statt Sonderurlaub genutzt werden.

 

Bei einer Erkrankung des Kindes gelten die allgemeinen Regeln. Arbeitnehmer haben das Recht, eine Freistellung aufgrund der Erkrankung des Kindes in Anspruch zu nehmen. Gesetzlich vorgesehen sind insoweit bis zu zehn Tage pro Kind und Elternteil, bei Alleinerziehenden 20 Tage (§ 45 SGB V).

  1. f) Entgeltfortzahlung bei Coronavirus-Erkrankung 

Die Erkrankung an dem Coronavirus führt zur Arbeitsunfähigkeit im Sinne des Entgeltfortzahlungsgesetzes. Daraus folgt, dass dem Arbeitnehmer ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach § 3 Abs. 1 EFZG zusteht. Der Anspruch ist grundsätzlich auf einen Zeitraum von sechs Wochen begrenzt. Wurde gegen den Arbeitnehmer jedoch ein berufliches Tätigkeitsverbot im Sinne des Infektionsschutzgesetzes (§ 31 Satz 2 IfSG) angeordnet, kommt ein Entschädigungsanspruch des Arbeitnehmers nach § 56 IfSG in Betracht. 

 

Umstritten ist allerdings, wie sich der Entgeltfortzahlungsanspruch nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz mit dem dann konkurrierenden Entschädigungsanspruch nach § 56 IfSG verhält.  Insoweit wäre zu prüfen, ob das infektionsschutzrechtliche Beschäftigungsverbot einer Erkrankung des Arbeitnehmers vorgeht. 

 

Gleiches gilt für die Fälle des Verdachts einer Erkrankung und der Anordnung der Quarantäne (§ 30 IfSG).

Über den Autor

Eike Steffen Mast, LL.M.
Eike Mast ist Rechtsanwalt und Steuerberater. Er berät Mandanten akut zum Umgang mit den Steuer- und Sozialversicherungsbehörden sowie zur Stellung von Anträgen für staatliche Hilfen. Weiter ist er Ihr Ansprechpartner für gesellschafts-, arbeits- und insolvenzrechtliche Fragestellungen.
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