Änderung des IfSG

Am Mittwoch, dem 25. März 2020, hat der Bundestag den Entwurf eines Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite angenommen. Darin enthalten ist insbesondere eine Novelle des Infektionsschutzgesetzes (IfSG). Dadurch erhält der Bund im Verhältnis zu den Ländern neue Kompetenzen. Zudem sind Allgemeinverfügungen nun einfacher möglich. Ebenfalls geregelt hat der Gesetzgeber die Entschädigung von Eltern die ihre Kinder betreuen müssen, weil Schulen und Kindergärten wegen einer Pandemie geschlossen sind.

1. Epidemische Lage von nationaler Tragweite, §§ 5, 5a IfSG

Kernstück des Gesetzes ist die Normierung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite. Nach § 5 Abs. 1 IfSG neue Fassung (nF) stellt der Deutsche Bundestag aufgrund der Covid-19-Epidemie fest, dass eine epidemische Lage von nationaler Tragweite eingetreten ist. Die Feststellung wird aufgehoben, sobald ihre Voraussetzungen entfallen. Sowohl die Novelle als auch die Gesetzesbegründung lassen jedoch eine Definition der Begrifflichkeit vermissen.

Grundsätzlich wird das Infektionsschutzgesetz von den Ländern als eigene Angelegenheit vollzogen. Aus Sicht des Gesetzgebers kann einer erheblichen Gefährdung durch eine landesgrenzenüberschreitende übertragbare Krankheit nur begrenzt auf Landesebene begegnet werden. Es bestünde daher ein Bedürfnis, die Bundesregierung im Krisenfall in die Lage zu versetzen, mit schützenden Maßnahmen einzugreifen, um einer Destabilisierung des gesamten Gesundheitssystems vorzubeugen. Zu diesem Zwecke werden dem Bundesministerium für Gesundheit in § 5 Abs. 2 Nr. 1–8 IfSG nF erhebliche Befugnisse eingeräumt, die neben die Rechtsetzungs- und Verwaltungsbefugnisse der Länder treten. Allerdings dürfen Regelungen der Länder den Regelungen des Bundes in diesem Rahmen nicht widersprechen. Unberührt bleibt dagegen grundsätzlich die Vollzugskompetenz der Länder.

Die wichtigsten Kompetenzen im Überblick:

  • Nr. 1 und 2: Das BMG darf Personen, bei denen ein erhöhtes Infektionsrisiko besteht, insbesondere wenn sie aus gefährdeten Gebieten einreisen, dazu verpflichten, bestimmte Auskünfte zu geben oder Maßnahmen zu dulden. Zusätzlich dürfen Unternehmen und Anbieter von Infrastrukturen, die grenzüberschreitend Reisende befördern, dazu verpflichtet werden, bei Maßnahmen mitzuwirken, die eine Einschleppung oder Weiterverbreitung einer übertragbaren Krankheit vorbeugen können.
  • Nr. 3: Das BMG wird ermächtigt, durch Rechtsverordnungen Ausnahmen zum IfSG und den auf dessen Grundlage erlassenen Verordnungen zuzulassen.
  • Nr. 4: Das BMG darf durch Rechtsverordnung Maßnahmen zur Sicherstellung der Versorgung mit Arzneimitteln u. Ä. treffen; das beinhaltet auch Ausnahmen von gesetzlichen Vorschriften, etwa des Arzneimittelgesetzes, des Betäubungsmittelgesetzes, des Apothekengesetzes, des SGB V (Gesetzliche Krankenversicherung) und medizinproduktrechtlicher Vorgaben.
  • Nr. 6: Das BMG darf statt der eigentlich zuständigen Länder die notwendigen Anordnungen zur Durchführung der auf Grundlage von Nr. 4 erlassenen Rechtsverordnungen treffen.
  • Nr. 7: Das BMG wird ermächtigt, Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Gesundheitsversorgung in ambulanten Praxen (insb. niedergelassene Ärzte), Apotheken, Krankenhäusern, Laboren und sonstigen Gesundheitseinrichtungen zu ergreifen, ggf. unter Abweichung von gesetzlichen Vorgaben.
  • Nr. 8: Das BMG wird ermächtigt, Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der pflegerischen Versorgung in ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen vorzusehen, ggf. unter Abweichung von gesetzlichen Vorgaben.

Anordnungen nach Nr. 1 und 2 sind im Einvernehmen mit dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat und dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur zu treffen. Soweit das Arbeitsrecht betroffen ist, ist ein Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales herbeizuführen. Bei Gefahr im Verzug ist jegliches Einvernehmen entbehrlich.

Rechtsverordnungen und Anordnungen treten mit Aufhebung der epidemischen Lage durch den Bundestag außer Kraft, spätestens mit Ablauf des 31. März 2021. Wichtig für Betroffene: Anfechtungsklagen gegen Anordnungen kommt wegen § 5 Abs. 4 Satz 4 IfSG nF keine aufschiebende Wirkung zu.

In § 5a Abs. 1 IfSG nF findet sich eine grundsätzlich abschließende Auflistung von Personenkreisen – die allerdings nach Abs. 2 im Wege der Rechtsverordnung ausgedehnt werden kann –, denen im Falle einer epidemischen Lage die Befugnis zur Ausübung von heilkundlichen Tätigkeiten übertragen wird. Auf diesem Wege sollen Ärzte von Behandlungen entlastet werden, die ein ärztliches Tätigwerden in der besonderen Situation der epidemischen Lage nicht zwingend erfordern.

2. Änderung des § 28 Abs. 1 IfSG

Infolge der Anpassung von § 28 Abs. 1 IfSG nF sind nun Verbote von Veranstaltungen und Menschenansammlungen sowie Aufenthaltsbeschränkungen nun nicht mehr begrenzt, bis die notwendigen Schutzmaßnahmen durchgeführt worden sind. Der beschränkende Passus entfällt ersatzlos. Die Gesetzesbegründung, es handele sich um eine bloße Anpassung der Vorschrift „aus Gründen der Normenklarheit“ mutet vor diesem Hintergrund unehrlich an.

3. Einfügung von § 56 Abs. 1a IfSG

Schließlich erhält § 56 IfSG einen neuen Abs. 1a. Danach haben Sorgeberechtigte (§ 1631 BGB) von Kindern, die das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet haben, Anspruch auf eine Verdienstausfallentschädigung, wenn sie bei Schließungen von Schulen oder Betreuungseinrichtungen aus Gründen des Infektionsschutzes keine zumutbare Betreuungsmöglichkeit sicherstellen können und daher unter Verdienstausfall ihre Kinder selbst betreuen müssen.

Als zumutbare Betreuungsmöglichkeiten nennt die Gesetzesbegründung beispielhaft sog. Notbetreuungen, den anderen Elternteil, andere Familienmitglieder oder bei Geschwistern auch mehrere Kinder. Dagegen zählen Personen, die zu Risikogruppen gehören, nicht als Betreuungsmöglichkeit.

Kein Entschädigungsanspruch besteht, wenn die Arbeitszeit des Sorgeberechtigten wegen Kurzarbeit reduziert ist. Außerdem muss tatsächlich ein Verdienstausfall vorliegen. Das ist nicht der Fall, wenn andere gesetzliche, tarifliche oder individualvertragliche Möglichkeiten bestehen, unter Entgeltfortzahlung der Arbeitsstelle fernzubleiben. Dazu zählen auch vorrangig abzubauende positive Zeitkonten, aber auch die Möglichkeit des Home-Office, soweit dies zumutbar ist.

Liegen die Voraussetzungen vor, wird für längstens sechs Wochen eine Entschädigung in Höhe von 67 % des Verdienstausfalls, höchstens jedoch 2016 Euro im Monat gezahlt.

Über den Autor

Eike Steffen Mast, LL.M.
Eike Mast ist Rechtsanwalt und Steuerberater. Er berät Mandanten akut zum Umgang mit den Steuer- und Sozialversicherungsbehörden sowie zur Stellung von Anträgen für staatliche Hilfen. Weiter ist er Ihr Ansprechpartner für gesellschafts-, arbeits- und insolvenzrechtliche Fragestellungen.
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